Eine kleine Episode
Anlässlich einer Einladung wurde unter den anwesenden Gästen am Rande das Thema Überbevölkerung angesprochen. Unter den Diskussionsteilnehmern waren auch Geschäftsleute anwesend, die befanden, dass in unserer Region die Bevölkerungsdichte zu gering sei. Ihre Devise lautete nämlich, je mehr Menschen, desto mehr Kaufkraft. Aufgrund dieser Aussage konnte ich mich einfach nicht zurückhalten und machte unaufgefordert den Einwand: „Wir sind doch schon zu viele Menschen!“ Kopfschüttelnd und verständnislos schaute mich die Gastgeberin an und fragte mich empört, ob ich noch alle Tassen im Schrank hätte; ob ich keine Ahnung davon hätte, dass unsere Stadt seit gerade mal nahezu 50 Jahren 60 000 Einwohner zählt und die Tendenz sinkend sei. Leise entgegnete ich: „Wir sind doch nicht die Einzigen auf diesem Planeten und unsere Stadt ist auch nicht das Universum. Trotzdem aber beziehen wir Holz aus Sri Lanka, Südamerika und Afrika, verschiedene Nahrungsmittel aus England, Holland, USA und sonst noch woher.“
Etwas in ihr schien zu rotieren, an ihren Augen leicht ersichtlich, und ich folgerte weiter, dass sich unser Wasser aus der Isar nicht vom Rest der Gewässer der Erde unterscheide oder getrennt sei, und wir davon Leben. Oder ob sie der Ansicht sei, dass unsere Autos nur über unserer Stadt die Luft verpesten, unser Atem, sowie die Methangase aller Lebewesen auch nur dort zirkulieren würden, wo sie produziert werden. Des weiteren fragte ich sie, ob sie der Ansicht sei, dass, wenn hier ein Baum pro Tag den Sauerstoff für 2 Personen produziert, die Luft nur bei uns bleibt und auch nur von uns eingeatmet werde. Ebenso wandte ich ein, dass sich durch chemikalische Rückstände im Wasser, 100 000-fach verdünnt, für Fische und alle anderen Bewohner der Gewässer schädigend bis tödlich auswirken, für den Menschen auf Dauer eben auch. Der Rhein, die Donau, Isar oder Inn, letztlich sind alle unsere Flüsse zum Meer hinabflessende Gewässer, und folgendermassen werden dadurch nachweislich Massen von Giftstoffe in das Schwarze Meer transportiert, und dass dies nicht ohne Auswirkung auf die Gesundheit bei Mensch und Tier bleiben kann, ist doch leicht nachvollziehbar.
Ihre Reaktion warf mich fast aus den Socken: „Ja, was denken sie, dies läuft seit Urzeiten so ab, alles wird sich regenerieren durch die Natur. Das war immer schon so.“ Ein Foto meines Gesichtsausdrucks gibt es glücklicherweise nicht.
Ich hielt meine Klappe um nicht weiterhin so unangenehm aufzufallen. „Man weiss nicht, wie viele solche Blindgänger noch rum stehen“, dachte ich mir.
Während die Hausherrin sich bei allen Anwesenden durchratschte – Verzeihung - Konversation betrieb, erblickte ich im Nebenraum, durch einen Spalt in der Tür, ein schönes grosses Aquarium, mit sehr empfindlichen, prächtigen Diskus-Fischen. Ich ging hin, zog mir einen Stuhl heran und setzte mich davor. Tatsächlich dauerte es nicht lange und die Dame kam näher. Da ich selbst seit über 35 Jahren Aquarien besitze, habe ich schon einige Erfahrung damit. Die Frau betrachtete mich und fragte, ob mir die Fische gefielen.
Natürlich gefilen sie mir und ich liess sie dies auch wissen. Meine erste Frage lautete, welchen pH – Wert (=Säure-Basen-Wert) das Wasser hätte und welche Temperatur eingestellt sei. Ihre Antwort war, dass sie davon keine Ahnung habe, da ihr Sohn der Besitzer des Aquariums sei. Ich erklärte ihr, welchen pH - Wert die Diskusfische benötigten um gesund zu sein und sich wohl zu fühlen. Sehr schnell aber könne dieses Biotop durch äussere Eingriffe erheblich gestört werden; z.B. durch etwas Beimengen von einigen Tropfen Öl, Verringerung der Sauerstoffzufuhr, Veränderung der Temperatur oder Wasserwechsel durch nicht vorbehandeltes Wasser. Diese empfidlichen Fische würden bereits innerhalb weniger Minuten eine Reaktion zeigen, sprich kippen und letztendlich verenden. Dasselbe Ergebnis würde in kürzester Zeit eintreten, wenn man die Anzahl der Fische verdoppelt. Meine Ausführungen über das Aquarium ihres Sohnes brachten sie ersichtlich zum Nachdenken. Ob sie auf die Idee kam, dass dieses Aquarium auch nur ein Biotop wie die Erde ist, habe ich nicht erfahren. Sie sah mich einige Zeit an und stellte dann die Frage: “Auf was wollen sie denn hinaus?“
Ich fuhr fort: „Als ich geboren wurde, im Jahre 1944, gab es gerade mal 2,5 Milliarden Menschen auf der Erde - und heute sind es bereits 7,8 Milliarden (Stand Juni 2010). Wer um alles in der Welt profiiert denn davon, dass unser Planet ausgebeutet und geschunden wird? Die Religionen, nach dem Motto „Liebet und vermehret euch“ um die „Irregeleiteten“ zu vermehren; Machthaber und Wirtschaftsbosse nach dem Prinzip – je mehr Menschen, desto mehr Profit. Sie sind die Initiatoren für die Ausbeutung unseres Planeten und der gesamten Menschheit. Und wie sieht die Auswirkung dieser naturverachtenden Logik aus? Je mehr Menschen existieren, umso mehr muss an Nahrung produziert werden. Jeder benützt sauberes Trinkwasser, auch zum Waschen, Essen, Kochen und Reinigen aller Art. Jeder will ein Auto, teures Mobiliar, TV, Kühlschrank, Waschmaschine, Zeitung, Journale, Kleidung, Wohnung oder Haus; Holz wird auf dem ganzen Planeten benötigt zum Bauen; in gleichem Massstab verarbeitet die Papierindustrie Unmengen Holz; zusätzlich braucht ein Drittel der Menschheit täglich Holzkohle zum Kochen und Heizen. Zeitgleich werden die Fische der Meere heute schon weniger und viele Arten sind bereits am Aussterben. Das Trinkwasser ist bereits jetzt schon in vielen Teilen der Erde Mangelware. Es gibt bewohnte Landstriche, in denen seit 10 Jahren kein Regen mehr fällt; die Industrieländer gehen mit diesem Element um, als wäre es für immer und ewig nur für die Industrienationen da. Nur wenige haben Kenntnis darüber, dass Süsswasser nur 0,3 % des gesamten Wasservorkommens der Erde ausmacht. Es wird permanent nach dem Sinn gehandelt: Je mehr Menschen vorhanden sind, umso mehr können geschröpft werden. Und je weniger sie wissen umso mehr kann man ihnen ein „X“ für ein „U“ vormachen. Da gibt es ein Sprichwort, das lautet: “Wen schert es, wenn in Berlin ein Rad umfällt. Schon klar, niemanden. Aber weshalb fühlt sich keiner angesprochen, wenn Millionen von Menschen im 3. Jahrtausend verdursten und verhungern? Eine weitere allgemeine Einstellung der Menschen lautet: Was schert es mich, wenn Menschen in Afrika so viele Kinder zeugen, dass sie nicht wissen, wie sie sie ernähren sollen; was schert es mich, wenn in Afrika kein Trinkwasser vorhanden ist oder in Fukushima ein Supergau stattfindet, Eisberge in gigantischem Ausmass und in Rekordzeit schmelzen und die Gletscher der Erde bald weg sind, grosse Seen austrocknen und ganze Ortschaften durch Bergrutsche verschwinden und 14-15 Millionen qkm Wald weltweit jedes Jahr gerodet werden. Ausgelöst durch immer mehr Menschen, die immer mehr Strom, Papier, Bauholz, Öl, Benzin, Plastik, Erze, Kohle, Nahrung und Trinkwasser benötigen und dadurch Hitzewellen und Feuersbrünste, Überschwemmungen und Dürren, Orkane und Stürme und Rekordregenfälle auf der über Milliarden von Jahren entwickelten Erde und den Schutzschirm in Form von Atmosphäre – Stratosphäre usw. durch immer mehr produziertem CO2 und Methan zerstören. Nur wenigen Menschen ist bewusst, dass jede Feuerquelle, jeder Energieverbrauch durch Elektrizität, Kohleverbrennung, Gasverbrauch, jeder Motor, CO2 produziert wie auch die Menschen und Tiere selbst. Der Massstab in eurem Aquarium ist ein anderer, aber es ist der gleiche Ablauf.
Der Mensch hat sich an den Planeten und dessen Natur und Umwelt über Millionen von Jahren angepasst – nicht umgekehrt. Durch die extreme Überbevölkerung findet eine Umkehr des Klimas statt, die natürliche Regenerierung ist überstrapaziert und ausser Kraft gesetzt. Unser Planet hat doch genügend Platz, ist eine Ansicht die man oft hört und erst mal verdaut werden muss. Denn 510 Millionen qkm beträgt die gesamte Erdoberfläche. Etwa zwei Drittel davon, also etwa 340 Mio. qkm, belegen bereits Meere, Flüsse und Seen. Die restlichen 170 Mio. qkm sind Wälder – Urwald – Eisregionen – Gebirge – Wüsten – Tundren (die Wüsten der Erde belegen allein ein Drittel der 170 Mio. qkm). Von der übrig bleibenden Fläche von 114 Mio. qkm des dritten Drittels kann für Ackerbau und Viehzucht, Siedlungen und Städte genutzt werden, rund 57 Millionen qkmfür 8.2 Milliarden Menschen heute 2011. Jeden Tag werden nur in Deutschland rund 120 HektarBoden zugepflastert und zubetoniert, weltweit täglich knapp 330 qkm. Jeden Tag werden 375326 Menschen, also jede Sekunde 4,34 Menschen geboren. Und jetzt noch zu behaupten es ist genug Platz und Nahrung für alle da, kann einfach nur von einem kranken, unterentwickelten Hirn kommen. Denn weltweit steigt gleichzeitig die Arbeitslosigkeit, und Arbeitsplätze werden weniger. Ich hoffe, dass die Weissagung der Cree (ein Indianerstamm Nordamerikas) nicht eintreffen wird, die da lautet: „Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet ihr feststellen, dass man Geld nicht essen kann.“ Der Mensch wird durch die Natur schon vorher gewaltig reduziert, und am Ende von vorne beginnen müssen. Da stellt sich mir die Frage, wo sind eigentlich noch intelligente Zweibeiner? Ich meine die, welche erschüttert sind, wenn sie hören oder lesen – Waffen schaffen Frieden - der Herr wird’s schon richten – es ist bisher alles (noch) gut gegangen, also wird es auch so weiter gehen – wenn alles richtig verteilt wird könnten vielmehr Menschen auf der Erde leben - nach mir die Sintflut – Macht ist alles - 700 Atombomben in Deutschland stationiert und gelagert – Waffen werden geweiht, bevor sie zum Einsatz kommen - AKWs und Endlager sind absolut sicher - wir haben Demokratie.
Ich habe langsam den Verdacht, die wirklichen Menschen, die ihren Verstand und Vernunft benutzen, sind in der Minderzahl, da nur Gierige, Machthungrige, Besserwisser, Neider, Korrupte, Geldverschwender, Tatsachenverdreher und Lügner an das Ruder kommen. Dass vieles schlechter, ungemütlicher, unehrlicher und ungerechter wird, ist ein Beweis von Unfähigkeit und Dilettantismus, aber die Machthaber bezeichnen es als Fortschritt, je mehr man dem Volk abnehmen kann, je mehr die persönlichen Rechte und die Freiheit eingeschränkt werden, weniger Arbeitsplätze und möglichst niedrige Bezahlung eingeführt werden. Und Auslöser ist der permanente Zuwachs an Menschen, die permanent mehr Nahrung und Arbeit benötigen, permanent mehr Sicherheit und Gesundheit fordern, permanent Frieden und Freiheit anstreben.“
Während ich dies von mir gab und dabei offensichtlich auch lauter wurde, an den Umstehenden zu erkennen, traten zwei Herren wortlos an die Seite der Gastgeberin, ein jüngerer und ein älterer und lauschten meinen Worten. Nachdem ich fertig war mit meiner Meinung war der ältere Herr um einiges bleicher als er zuvor schon gewesen ist, während der Jüngere das Gesicht Richtung Boden neigte, und ich ein Schmunzeln oder Grinsen erkannte. Einige Sekunden, oder waren es Minuten, war es still. Dann hob der Junge den Kopf, sah mich an und sagte vollkommen ruhig und sachlich: “Die Beiden rennen sogar noch in die Kirche und meinen, beten hilft um das Geschäft anzukurbeln.“ Jetzt konnte ich mir ein Lächeln nicht verkneifen. Während die Hausherrin sichtbar ein Problem mit der Atmung hatte, bot er mir seine Hand und wollte wissen woher ich diese Einstellung und Kenntnisse hätte und zog mich am Ärmel in Richtung Tür. Dahinter verbrachten wir zwei Stunden und ich musste erkennen, dass mein Gastgeber Junior über vieles nicht nur bereits informiert war, sondern eine gesunde und logische Denkweise an den Tag legte. So kam ich auf die Quelle meines Wissens und meiner Kenntnisse zu sprechen, auf die FIGU. Und ich bin gespannt, ob ich in nächster Zeit von ihm höre, wie er mir versicherte.
April 2012, Christian Neumaier