Richten Gebete für kranke Menschen Schaden an?

Dieser Frage gingen Forscher in den USA nach und brachten Erstaunliches ans Tageslicht.

STEP, die wohl bisher grösste Studie über den Nutzen von Gebeten für Patienten nach einer koronaren Bypass-Operation, steht für: „Study of the Therapeutic Effects of intercessory Prayer.“ (Studie über therapeutische Effekte von Fürbitten).

Hierfür wählten die Forscher 1802 Bypass-Patienten an sechs US-amerikanischen Kliniken aus. Darunter Protestanten, Katholiken, Juden und Angehörige anderer Religionsgemeinschaften. Per Zufallsprinzip wurden sie in drei Gruppen eingeteilt.


Den Patienten der Gruppe 1 wurde gesagt, dass für sie gebetet wird oder auch nicht. Sie konnten sich der Fürbitten also nicht sicher sein. Aber es wurde für sie gebetet.

Den Patienten der Gruppe 2 wurde das gleiche gesagt wie denen in Gruppe 1. Tatsächlich aber wurde nicht für sie gebetet.

Den Patienten der Gruppe 3 wurde gesagt, dass auf jeden Fall für sie gebetet wird, was auch geschah.


Gläubige Protestanten und Katholiken aus drei verschiedenen Gemeinden beteten nun für die Leidenden jeweils einen Tag vor der Operation und dann täglich bis zwei Wochen danach.

Den Betenden war nur der Vorname und der Anfangsbuchstabe des Nachnamens bekannt.

Als Bedingung, so legten die Forscher fest, musste im Gebet die Bitte für eine erfolgreiche Operation, eine schnelle Genesung und ein Verlauf ohne Komplikationen enthalten sein. Ansonsten konnte die Fürbitte nach eigenen Vorstellungen gestaltet werden.


Die Ergebnisse der STEP-Studie dürften nicht nur die US-Wissenschaftler überrascht haben. In einem Land, in dem 90% der Bevölkerung an Gott und 46% an den Kreationismus glauben, also daran, dass das Universum, das Leben und der Mensch durch einen unmittelbaren Eingriff eines Schöpfergottes entstanden sind, und dies erst vor 10.000 Jahren.


Hier nun die Ergebnisse der Studie:


Nach 30 Tagen umfassender Beobachtung stellten die Forscher fest, dass es in Gruppe 1 bei 52% der operierten Patienten zu Komplikationen kam.

In Gruppe 2 hatten 51% unter Komplikationen zu leiden. Bei den Operierten der Gruppe 3, die als einzige sicher von den für sie gesprochenen Gebeten wussten, zeigte sich mit 59% die höchste
Komplikationsrate.

Die geringsten Komplikationen traten also bei den Patienten auf, die ohne Gebete genesen mussten.

Die Reaktionen der Forscher, die vorzugsweise mit einem anderen Ergebnis gerechnet haben dürften, fielen entsprechend aus.

So stellten sie sich die Frage, ob man Patienten überhaupt über Fürbitten informieren soll. Auch mutmassten sie, ob nicht die fremde Fürsprache einen gewissen Leistungsdruck ausgelöst haben könnte und somit einen gewissen Stress, der die Genesung behinderte.

Weil ihnen das Ergebnis selbst nicht ganz geheuer war, hielten sie es sogar für möglich, dass alles nur ein Zufall gewesen sein könnte. Ob sie bei einem gegenteiligen Resultat wohl zur selben Schlussfolgerung gelangt wären? Sicher nicht.


Doch was nun? Welche Schlussfolgerung lässt sich denn jetzt ziehen? Überhaupt nicht mehr für Kranke zu beten - oder wenn, dann nur heimlich? Eine wenig beruhigende Erkenntnis einer Studie, die nach allen wissenschaftlichen Regeln durchgeführt wurde und nicht weniger als 2,4 Mio US-Dollar gekostet hat.


Im Grunde genommen waren die Testpersonen nicht bloss den drei Fürbitten sprechenden Gemeinden ausgesetzt, sondern sämtlichen frommen Gebeten für Genesung und Gesundheit weltweit. Ein Faktor, den die Wissenschaftler nicht einkalkuliert hatten. Doch entgegen allen hoffnungsvollen Prognosen (siehe Tabelle) erlitten ausgerechnet die Patienten der Gruppe, für die gebetet wurde, am häufigsten Komplikationen - und warum?


War der Schöpfergott etwa mit anderen Dingen beschäftigt? Oder war es eine seiner vielen Prüfungen, die er seinen Gläubigen abverlangt? Schliesslich möchte „Herr Gott“ nicht jeden ungesehen in sein himmlisches Paradies aufnehmen. Der Mensch möge rein und geläutert vor ihn treten, lässt er in seiner heiligen Schrift verkünden. Denn wen Gott aufrichtig liebt, dem schickt er schweres Leid, um daran seinen Glauben zu stärken.


Am Beispiel STEP ist klar erkennbar, welche fatalen Folgen es nach sich ziehen kann, wenn die Verantwortung für das eigene Wohl in fremde Hände gelegt wird.


Statt Gebete und Bitten an das eigene Bewusstsein zu richten und dieses dadurch zu stärken und mit eigener Kraft das angestrebte Ziel (Genesung) bestmöglich zu erreichen, wählen viele Menschen lieber den Weg des geringsten Widerstandes. Sie richten flehentlich Gebete in selbsterniedrigender und demütiger Form an einen imaginären Gott, Heilige oder Engel, von denen sie glauben, dass diese ihre Geschicke beeinflussen und lenken. Dabei werden Erwartungen und Hoffnungen gehegt, die eine Phantasiefigur wie ein allmächtiger Gott niemals im Stande ist zu erfüllen, weil dieser allein nur in ihrer Vorstellung existiert.

Dass sie dabei aber vergeblich auf eine Gebetserfüllung warten, schert sie nicht, denn bleiben ihre Bitten unerhört, so schreiben sie es dem Willen ihres erfundenen Gottes zu.

Erfüllen sich aber dann doch einmal ihre Wünsche und Hoffnungen, dann ist das auf einen absolut natürlichen Vorgang zurück zu führen, nämlich einer Fügung, die jedoch keinesfalls als Zufall bezeichnet werden kann, weil es einen Zufall in Wahrheit gar nicht gibt. Fügungen ergeben sich bei allen laufenden Geschehen und sie sind eingeordnet in die schöpferischen Prinzipien von Ursache und Wirkung.

Nur weil der Mensch die Ursache einer Wirkung nicht erkennt oder nicht erkennen will, heisst das noch lange nicht, dass sie nicht existiert.

Einzig und allein der Mensch selbst und die schöpferische Ordnung sind als massgebende Faktoren zu nennen, die hier ihre Wirkung zeigen.


Die Probanden der STEP-Studie, die ohne Fürbitten genesen mussten, haben also für sich, bewusst oder unbewusst, den bestmöglichen Weg gewählt, nämlich den der Eigenverantwortlichkeit.

Wer also auf sich selbst gestellt ist, dessen Kräfte entwickeln sich schneller und kraftvoller und er nimmt darüber hinaus aktiver an seinem Genesungsprozess teil.


Diesen Aspekt habe ich tagtäglich bei meiner Arbeit als Krankenschwester vor Augen, denn ich arbeite eben genau mit solchen Menschen, die eine Herzoperation meistern mussten.

Eine Operation am Herzen ist für alle Menschen ein bedrohlicher, ja existentieller Eingriff. Meine Beobachtungen machen mir das immer wieder bewusst. Es ist für den Patienten enorm wichtig, sich aktiv mit seiner Genesung auseinander zu setzen, sei es die Wirkungsweise seiner Medikamente zu kennen und sie auch regelmässig einzunehmen, das richtige Mass seiner Belastbarkeit zu erspüren, sich also nicht zu überfordern oder auch seinen Ängsten auf den Grund zu gehen. Da sind 3 - 4 Wochen Rehabilitation in der Klinik eine sehr kurze Zeit aber doch auch ein Anfang.


Anja Krämer


Quellen:

Ärzte-Zeitung, 7.6.2006 von Hagen Rudolph
AHJ/American Heart Journal

 

1. Wenn ́s nicht hilft, so schadet ́s nicht? - Falsch!
Die Ergebnisse der STEP Studie
  Gebete Hypothese
Bei wie vielen
Pat. würde es
Komplikationen
geben?
Ergebnis
Bei wie vielen
Pat. gab es
Komplikationen?
Gruppe 1
(n=604)
Ja Pat. aber nicht
sicher.
40 % 52 %
315 Pat.
Gruppe 2
(n=597)
Nein Pat. Aber nicht
sicher
50 % 51 %
304 Pat.
Gruppe 3
(n=601)
Ja Pat. sicher. 30 % 59%
352 Pat.
Quelle: AHJ, Tabelle: Ärzte Zeitung